Polens Desaster? Europas Desaster!

Seit Wochen versuchen Menschen im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus, nach Polen einzureisen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Ihr gutes Recht. Schließlich ist in der Genfer Flüchtlingskonvention in Artikel 33 das Gebot der Nicht-Zurückweisung (Refoulement-Verbot) verankert. Es verpflichtet die Staaten, niemanden an ihrer Grenze zurückzuweisen oder abzuschieben. Polen hat unterschrieben, hält sich aber nicht daran. Migranten, die es geschafft haben, den enormen Stacheldrahtzaun zu überwinden, werden zurückgedrängt und wieder über die Grenze gebracht. Damit begeht Polen einen Rechtsbruch, denn Pushbacks sind zunächst mal eines: illegal.

Ist möglicherweise ein Bild von Text „Polens Deşaster? EURÓPAS DESASTER! AK AK49 49“

Es wird kalt. Bitter kalt. Nachweislich sind bis zum heutigen Tage (13.11.) bereits 12 Menschen gestorben. Kinder sind auch dabei. Was sie erleben, muss für sie die Hölle sein. Hinter sich belarussisches Militär, sie schießen Warnschüsse ab, wenn sich jemand davonstehlen will, – vor sich Stacheldraht und davor zehntausende von Polizisten, die mit ihrem Blaulichtgewitter die Nervenkostüme blanklegen, das Gelände auch in der Nacht fast taghell erleuchten. Kaum Essen, keine Klos, Flüchtlingsorganisationen und Journalist*Innen wird der Zugang verwehrt, wie z.B dem Hilfebus von „Wir packens an“ und Hilfe von Seebrücke. „Flüchtlinge haben die Grenze attackiert und diejenigen, die sie überwunden haben, wurden von der polnischen Polizei zurückgeschoben“, so die offiziellen Verlautbarungen des polnischen Grenzschutzes.

Neben diesem politischen Techtelmechtel auf beiden Seiten auf dem Rücken der Flüchtlinge, deren Ausweglosigkeit immer bewusster wird, bleiben zwei Dinge auf der Strecke:

Zum ersten wird das Asylrecht weiter ausgehöhlt, Pushbacks bleiben straffrei, ja werden immer hoffähiger gemacht. Und Charles Michel, Raatspräsident der EU, sucht nun den Schulterschluss mit Polen und will den Stacheldraht auch noch mit EU-Geldern finanzieren. In der offiziellen Wahrnehmung werden viel zu viele Stimmen wieder gegeben, die in diesem „Krieg Lukaschenkos gegen die EU“ auf der Seite Polens stehen und Verständnis für einer der größten Stacheldrahtgrenzen quer über Polen und jetzt auch noch Litauen zeigen.

Noch schlimmer als diese Tatsache ist aber auch die Sprache, in der die Medien auf das Thema eingehen. „Tausende Flüchtlinge drängen nach Deutschland“ (Bildzeitung), „Tausende Flüchtlinge stürmen EU“ (OE24), „Lukaschenko führt einen Krieg“ (Kölner Rundschau). Diese Sprache bedeutet auch eine Verrohung der Mitmenschlichkeit, die den Tod von tausenden Menschen billigend in Kauf nimmt.

Update 14.11.: Wie sehr der gezielte Bruch mit dem Recht und der Rechtsprechung sich bereits in den Köpfen unserer Politiker festgesetzt hat, zeigt auch die Äußerung des Ministerpräsidenten von Sachsen, Michael Kretschmer in der Bild am Sonntag vom 13.11, in der er meinte: Die Bilder notleidender Menschen an der Grenze müsse die Gesellschaft aushalten und Polen bei der Sicherung seiner EU-Außengrenze helfen. „Warschau handelt richtig, daher dürfen wir Polen nicht in den Rücken fallen.“ (SZ 14.11) Damit ruft er offen zum Rechtsbruch auf und beweist damit seine Ignoranz und Menschenverachtung.

Rassistische Narrative nähren die Angst vor dem Fremden. Und Polens Premier Morawiecki setzt noch einen drauf und spricht vom Staatsterrorismus. Geht’s noch? 

Wir fragen: Krieg gegen wen? Gegen die Scheinheiligkeit der EU, die sich Menschenrechte auf die Fahne geschrieben hat, aber mit Pushbacks antwortet? Gegen die doppelte Moral der EU, die eine Flüchtlingskonvention unterschreibt und genau das Gegenteil tut? Es ist eine Schande für Europa, nicht einfach zu sagen, kommt rein, wir prüfen jeden einzelnen Fall, so wie es das Asylrecht im deutschen Grundgesetz eigentlich formuliert und wie es nach wie vor geltendes Recht ist.

Wir fragen: Sollen wir mit diesem Kriegsgeheul möglicherweise auf einen echten Krieg vorbereitet werden? Man müsse sich ja wehren. Angriffe auf die EU und Staatsterrorismus ist eine Sprache, mit der der Nato-fall ausgerufen werden kann.

Empört Euch!

Wir bitten alle, tretet diesem Kriegsgeschrei mit aller Macht entgegen, verbreitet diesen Kommentar. Stellt Eure Abgeordneten zur Rede, verlangt die Einhaltung der Menschenrechte, verlangt ihren Einsatz für das Asylrecht auf Europaebene. Und vor allem eines: Verlangt eine Soforthilfe der Betroffenen an der Grenze. Die Menschen dort sind mit dem Tode bedroht.

AK49 11.11.2021, akt. 14.11.21