Ukraine / Europa – zweierlei Maß für Menschen auf der Flucht

Liebe Aktivist:innen,

Wir sind alle fassungslos, welche Dimensionen der Krieg in der Ukraine angenommen hat, wie viel menschliches Leid er erzeugt hat und immer noch erzeugt. Es sterben so viele Menschen, die zu keinem Zeitpunkt in irgendeinen Konflikt eingebunden waren und jetzt für die Fehler von Machtpolitiker:innen zu leiden haben. Sie leiden unter Vladimir Putin, dessen scheinbar einzige Möglichkeit Konflikte zu lösen, die brutale Militäroption ist. Das hat er in der Vergangenheit u.a. in Tschetschenien, in Georgien, auf der Krim und schließlich im Donbass schon gezeigt.

Wir wollen uns hier und jetzt nicht über die geschichtliche Dimension des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine äußern. Dafür gibt es sehr viele Foren, die leicht zu finden sind.

Wir wollen uns darüber unterhalten, dass durch die vielen Geflüchteten aus der Ukraine die Festung Europas aufgebrochen worden ist – eine Festung, die immer wieder alles daran setzt, um Flüchtende außen vor zu halten und nur sehr selektiv Einlass zu gewähren. Die Mechanismen dazu sind die Verfahrensrichtlinien des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS).

Doch anders als bei den Geflüchteten aus z.B. dem Irak, aus Syrien, oder aus Afghanistan kommt für die aktuellen Flüchtenden aus der Ukraine nicht Dublin II zur Anwendung, das ein Asylverfahren mit der entsprechender Drittstaatenregelung fordert und nicht selten zu illegalen Pushbacks führt. Aktuell wird die Massenzustromrichtlinie angewandt, die es erlaubt, Kriegsgeflüchteten einen sicheren Status in Europa, ohne Asylverfahren zu gewähren, zumindest solange, wie die Staaten es erlauben (momentan bis zu drei Jahren). Auch ist die Drittstaatenregelung außer Kraft, den individuellen Interessen der Geflüchtenden kann Rechnung getragen werden und Familienmitglieder dürfen idR nachkommen. Sie sollen sich, Innenministerin Faeser zufolge, das Zielland aussuchen dürfen. Ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik Europas in die richtige Richtung!

Doch was passiert mit denen, die keinen ukrainischen Pass besitzen und aus dem Kriegsgebiet fliehen müssen? Auslandsstudent:innen, Leiharbeiter:innen, und eben Geflüchtete aus z.B. Syrien, Afghanistan, Irak, afrikanischen Ländern? Damit die o.g. Regeln eintreten, wird in manchen Stellungnahmen ein ukrainischer Pass als Voraussetzung genannt, in anderen ein Nachweis für einen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Ukraine. Das würde die Gruppe der Geflüchteten aus Syrien z.B. ausschließen.

Liebe Aktivist:innen. Der Krieg macht vor keinem Menschen in den umkämpften Gebieten der Ukraine halt, alle sind sie betroffen. Wir sind auch tief besorgt über Berichte, dass Menschen mit anderer Hautfarbe aus rassistischen Motiven der Einstieg in die Flucht-Busse oder -Züge von ukrainischen Polizisten verweigert werden, von Berichten, dass polnische Grenzbeamte die Einreise verweigern würden.

Wir fordern, dass für alle das gleiche Recht gelten muss, für alle Flüchtenden! Für alle mit oder ohne Papiere!

Wir haben auch die anderen Fluchtrouten nicht vergessen. Noch immer harren Menschen an der belarussischen/polnischen Grenze in der Kälte aus. Sie können nicht vor und zurück. Hier wird Recht mit zweierlei Maß gemessen. Für die einen gilt die Freizügigkeit, die Normalität sein sollte, für die anderen das restriktive Asylrecht mit den verbundenen Pushbacks.

Wir fordern die Freizügigkeit für alle! Geflüchtete aus Kriegs- und Konfliktgebieten – ob in der Ukraine, Syrien oder Afghanistan u.v.m. – müssen gleichermaßen aufgenommen werden!